Sie essen gerne? Sie gehen gerne in ein angenehmes Restaurant? Sie mögen Fisch und Sie lieben die Früchte des Meeres? Dann nehmen wir an, dass Sie mit den Umgangsformen bei Tisch bestens vertraut sind. Einige Dinge vergisst man aber vielleicht wieder, deren Beherrschung jedoch notwendigerweise zum guten Ton gehört. So ist es nun also an der Zeit, sich ins Gedächtnis zu rufen, wie es möglicherweise auf einer festlichen Gesellschaft bei Tisch zugehen kann, und was man bei Krabben, Hummer & Co. tun sollte, um "Ausrutscher" à la Pretty Woman zu verhindern. Fisch Fisch wird im allgemeinen mit dem Fischbesteck, bestehend aus breiter, kurzer Gabel und einem abgeschrägten, stumpfen Messer gegessen. Als Ersatz dafür kann man auch zwei Gabeln auftischen. Austern Mit der Austerngabel entfernt man den dunklen Bart, das heißt, die Kiemen, falls das nicht schon in der Küche geschah, sowie möglichst den Darm, der als schwarzer Punkt sichtbar ist. Dann gibt man Zitrone darauf, löst das Fleisch mit der Gabel von der Schale, die man in der linken Hand hält, und kann sie nun entweder mittels der Gabel zum Munde führen oder direkt aus der Schale schlürfen – was jedoch tunlichst nicht zu hören sein soll. Krebse Das Fleisch der Krebse schmeckt sehr gut, doch sie sind eine etwas mühselige Angelegenheit. Vor ihren Genuss haben die Götter Arbeit gesetzt, diese wird erleichtert durch den geschickten Umgang mit Fingern und Krebsbesteck. Zunächst bedient man sich mit den Händen aus der Schüssel, in der die Krebse gereicht werden. Auf dem Teller ergreift man den Krebs mit den Fingern und dreht mit der Rechten das Schwanzstück aus dem Oberkörper heraus. Den Rückenpanzer kann man mit der Hand aufbrechen und so an das Fleisch gelangen. Praktischer ist es, den Panzer mit der linken Hand festzuhalten, mit der rechten die Beine zu erfassen und das Innere aus der Schale herauszuziehen, das mit der Gabel verzehrt wird. Mit dem Krebsmesser lassen sich die Schwanzringe öffnen, an deren Fleisch man ebenfalls mit der Gabel herangeht, nicht ohne zuvor den Darm entfernt zu haben. Das Loch im Krebsmesser ermöglicht ein Abbrechen der Scherenspitzen. Wenn man die Scheren mittels des Messers seitlich geöffnet hat, kann man auch dieses Fleisch mit Hilfe der Gabel herauslösen. Das Ganze geschieht, je nach Größe der Krebse, des Appetits und der Freude an der Arbeit etwa sechs- bis zwölf Mal. Hummer Der gute alte Hummer bereitet weniger Schwierigkeiten. Er kommt schon geöffnet auf den Tisch und ist dann sogar mit gewöhnlichem Fischbesteck unschwer erfolgreich zu bekämpfen. Besser allerdings geht es mit der Hummergabel, mit der man auch in die entlegensten Scherenspitzen gelangt und das Fleisch herausziehen kann, das dann mit der Gabel gegessen wird. Languste Die Languste, auch Stachelhummer genannt, ist ebenso schmackhaft, aber geringer bewaffnet: sie hat keine Schere. Gegessen wird sie wie der Hummer. Kaviar Kaviar wäre sehr einfach zu essen – wenn wir ihn uns leisten könnten. Er kommt vornehmlich aus dem Schwarzen und dem Kaspischen Meer, aus sibirischen und nordamerikanischen Gewässern, wo er aus dem Rogen verschiedener Störarten gewonnen wird. Beluga, Malossol und Astrachan sind Namen, bei denen Kenner verzückt die Augen verdrehen. Man isst den Kaviar mit der Gabel. Serviert wird er auf oder im Eis. Dazu gibt es Zitronenachtel. Man nimmt ihn mittels eines Löffels auf den Teller, beträufelt ihn je nach Geschmack mit Zitronensaft, und isst ihn mit der Gabel zu Toast und Butter. Diese Delikatesse ist übrigens schon lange bekannt. Wer seinen Shakespeare nicht nur im Bücherboard sondern auch im Kopf hat, erinnert sich vielleicht, dass von "Kaviar für das Volk" bereits im Hamlet die Rede ist. Weinbergschnecken Weinbergschnecken haben ebenso viele Gegner wie Liebhaber. Sie machen jenen, die an ihnen Freude haben, keine Schwierigkeiten. Man erobert sich linkshändig mit der Schneckenzange ein Schneckenhaus – Schnecken werden sehr heiß serviert! – und entfernt dann mit der rechts geführten Schneckengabel unschwer den schmackhaften Inhalt. Wer übrigens von dieser besonders in Frankreich geschätzten Spezialität verlangt, dass sie auch einen entsprechend vornehmen Namen führen müsse, kann am nächsten Tag erzählen, er habe "Escargots" gegessen. Und wer Verwirrung stiften will, der erzähle von einer "Schnirkelschnecken-Mahlzeit." Nun, liebe Feinschmecker, wünschen wir Ihnen Bon appetit und eine reibungslosen Ablauf bei Tisch, sodass auch noch Zeit bleibt für Small Talk oder ein vernünftiges Tischgespräch, das Sie immer in einem angemessenen Tonfall führen werden, versteht sich… (Quelle: "Die gute Umgangsform" von Karlheinz Graudenz)